Regulierungs- und Berichtsflut – Wer soll das alles lesen und verstehen?

Regulierungs- und Berichtsflut – Wer soll das alles lesen und verstehen?

Berichte müssen verarbeitet werden. Daher ist nicht nur der Erzeuger des Berichts gefragt, sondern auch der Empfänger. Brauchen wir nicht auch eine Kennziffer für die nachhaltige Qualifikation des Anlegers?

In den letzten beiden Jahren hatte ich mich eingehender mit dem KAGB und anderen Gesetzen und Verordnungen Rund um das Thema Alternativen Assets beschäftigt. Die Finanzdienstleistungsindustrie wird geradezu von einer Welle von neuen Gesetzen oder deren Anpassung überrollt.

Es gilt genau zu eruieren inwiefern ich als Finanzdienstleister von dem Gesetz möglicherweise betroffen bin. Leider ist dies auf den ersten Blick gar nicht so einfach erkennbar. Durch gesellschaftsrechtliche Verflechtungen kann sich aus einem Regelwerk sehr schnell eine indirekte Verpflichtung ergeben. Fataler Weise ist oftmals gar nicht klar, welches Gesetz konkret anzuwenden ist und welches das andere gerade mal aushebelt.

Viele Initiativen geschehen unter dem Deckmantel der Finanzkrise. Es ist eben gerade en vogue, mit erhobenen Finger auf die Finanzhaie zu zeigen. Willkommen ist der damit für die legitimierten Institutionen verbundene Nebeneffekt, sich hier über Jahre hinweg eine Daseinsberechtigung zu verschaffen.

Ja, ich arbeite auch als freiberuflicher Berater und profitiere natürlich auch von solchen Ausschweifungen. Warum also dann dieser Beitrag?


Es ist typisch für (Nach-)krisenzeiten, dass die Regulierung übertrieben wird. Jahrelang wurde bewusst weggeschaut und dann sollen über Nacht die Versäumnisse der Vergangenheit ohne eine Detailanalyse und ohne Ansehen der Personen hinweg gefegt werden. Das kann dazu führen, dass zum Beispiel 90% der Marktteilnehmer eines Industriezweigs in die Pflicht genommen werden, obwohl deren Tätigkeitsspektrum weder als systemgefährdend noch als in der Vergangenheit besonders auffällig eingestuft werden kann. Schuld waren eigentlich nur wenige schwarze Schafe.

Aufschäumende Kritik wird durch die Standarte „Anlegerschutz“ im Keim erstickt. Wer soll denn auch gegen ein so häheres Ziel wirklich aufmucken wollen? Es ist doch so wichtig, dass der Anleger vor den räuberischen Methoden der „Finanzzecken“ geschützt wird.

Das KAGB z.B. arbeitet mit einer Klassifizierung in professionelle und semi-professionelle Anleger und in das „dumme Fußvolk“.
In der Markets in Financial Instruments Directive (MiFID II) wird noch ein Schritt weiter gegangen. Offensichtlich wurde erkannt, dass auch der professionelle Anbieter eklatante Schwächen bei der Auswahl seiner Investments zeigt. Dem soll durch eine auch auf den professionellen Anleger ausgeweitete stringentere Berichtspflicht entgegen gewirkt werden. Da eine Vielzahl der Asset Manager mit der Bankenwelt eng verbunden sind, wird dies auch auf den Zweig der Alternativen Assets Auswirkungen haben.

Ich bin gespannt, wo dies alles enden wird, bis sich dann in einigen Jahren eine Initiative für den Bürokratieabbau ihr neues Arbeitsfeld definieren wird.

Aktuell sehe ich einen Zahlenfriedhof, der in regelmäßigen Abständen von fleißigen Helferlein in immer größer werdenden Umfang produziert werden muss. Haben Gesetze und Verordnungen in der Vergangenheit noch den Inhalt und Turnus von Berichtspflichten grob umrissen, beschreiben diese heute bis ins Detail den Aufbau und Inhalt der zu erstellenden Berichte. Der Gesetzgeber scheint sich wohl massiv Hilfe, aus der beratenden Zunft eingekauft zu haben.

Dies vorangestellt nun aber zum eigentlich Anliegen meines Beitrags, nämlicher der Frage:

Wer soll ehrlich gesagt, das alles lesen und verstehen?

Beim professionellen Anleger eventuell der temporäre Mitarbeiter, der bis er sich in die Betriebsorganisation eingearbeitet hat das Unternehmen schon wieder verlassen darf, weil die Gesetzeslage keine Weiterbeschäftigung mehr erlaubt. Oder eventuell der vermögende Privatanleger, der es kaum schafft nach einem 12 bis 14 Stundentag seine Tagespost zu lesen. Wohl kaum!

Würde der Anlegerschutz wirklich ernst genommen und nicht nur als Argument vorgeschoben werden, müsste der Gesetzgeber genau an dieser Stelle ansetzen. Eine Regulierung kann nur dann auf fruchtbaren Boden stoßen, wenn beide Seiten – Ersteller und Empfänger – ins Boot geholt werden. Den Berichtsersteller bindet man aktiv ein. Aber niemand kümmert sich so richtig um den Empfänger der Berichte und ob dieser überhaupt in der Lage ist, die Informationen zeitlich und inhaltlich zu verarbeiten und zu verstehen.

Mängel hat man auch bei den Profis wahrgenommen, ansonsten würde man die Berichtspflichten auf diese Kreise jetzt nicht erweitern wollen, oder?

Jetzt fragst Du Dich vielleicht: Soll der Gesetzgeber ein neues Gesetz auflegen, welches den Berichtsempfänger in geeigneter Weise darlegen lassen soll, dass er den Bericht empfangen, verarbeitet und verstanden hat? Wird er auf eine schwarze Liste gesetzt, wenn er dies nicht tut, und wird dann für die Anlageklasse gesperrt?

Im Prinzip ja, denn dies ist letztendlich die Konsequenz aus der teils übertriebenen Berichtsflut und eine probate Strategie zur Vermeidung von Datenfriedhöfen. Außerdem könnten die Qualitätslücken in der Vermögensanlage noch globaler angegangen werden.

Ich stelle mir die Frage nach dem nachhaltig vorhandenen Know How beim Anleger. Immer mehr Firmen arbeiten mit kleinen Kernteams und kaufen sich externe Kompetenzen ein. Kann aber ein fundiertes Kernwissen beim Anleger mit temporäreren Ressourcen überhaupt aufgebaut werden?

Das KAGB verlangt im Erlaubnisverfahren für die Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) eine dedizierte Darstellung zur Qualifikation der Schlüsselpersonen. Bei den Anlegern ist dies im Zuge der Klassifizierung durch die KVG ebenfalls vorgesehen. Ansonsten kann sich der Anleger aber relativ unbefangen bewegen.

Für mich sind Anlagen in Alternative Assets = „People Business“. Selbst wenn unbegrenzt Investitionskapital vorhanden wäre, wären Anlagemöglichkeiten nur sehr eingeschränkt vorhanden. Je mehr Kapital, umso höher ist in der Regel die Gefahr der Fehlanlage begründet durch einen höheren Investitionsdruck. Es gehört viel Erfahrung dazu, um die Prozesse in dieser Anlageklasse voll umfänglich zu verstehen. Da selbst in gestandenen Häusern dieses Wissen nur eingeschränkt vorgehalten werden kann, wird der externe Spezialist benötigt – z.B. Dachfondsmanager, der gegen Entlohnung diese Defizite ausgleicht.

Dieser Dachfondsmanager wird jetzt durch den Staat reguliert. Er soll also die nötige Expertise haben. Der Auftraggeber = Anleger, der unabhängig vom Professionalisierungsgrad künftig mit den Berichten überschüttet wird, bleibt außen vor.

Eventuell benötigen wir daher eine Qualifizierungskennziffer, welche die nachhaltige Qualifikation des Anlegers dokumentiert und ihn so für bestimmte Investments qualifiziert. „Nachhaltig“ zieht hier auf das Kernwissen, welches nicht nur durch temporären Zukauf vorhanden ist, ab.

Hierüber sollte bei all der Regulierungswut und dem meines Erachtens fälschlich vorgehaltenen Anlegerschutz mal nachgedacht werden. Im übrigen wird die bisher in den Kreditinstituten vorgenommene Klassifizierung der Retailkunden für solche Zwecke kaum ausreichen.

Natürlich geht es mir in diesem Beitrag darum darzustellen, dass das was produziert wird auch konsumiert werden sollte, ansonsten ist es einfach nutzlos. Eine von mir angesprochene Qualifizierungsoffensive könnte aber auch dazu führen, dass von vornherein ganzen Gruppen der Marktzugang verweigert werden müsste. Hierauf möchte ich jedoch nicht näher eingehen.

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